Bei der Frage Elternzeit-oder-nicht spielen viele Faktoren eine entscheidende Rolle und jede Familie muss ihre individuelle Lösung finden. Ein Blick auf mögliche Probleme und Gedanken eines jungen Papas hilft diese Frage zu beantworten.
In Fragen von gleichberechtigter Rollenaufteilung bei Kinderbetreuung und Erziehung ist die Schweiz nicht unbedingt ein Vorreiter – genau genommen eher Schlusslicht. Zwei Wochen Vaterschaftsurlaub wird frisch gebackenen Papis hierzulande gewährt. Wer Glück hat, arbeitet in einem Unternehmen, das auf freiwilliger Basis einen längeren Urlaub gewährt. Nur, die Männer nehmen ihn in der Regel gar nicht – aus Angst vor negativen Reaktionen des Arbeitgebers.
Wobei, nebenbei gesagt, das Wort „Urlaub“ in den Ohren junger Eltern eher wie ein Euphemismus tönt. Urlaub, das bedeutet doch Ausschlafen, Erholung vom Alltag und Zeit für Musse. Für nichts dergleichen finden die „neuen Eltern“ in dieser Phase Zeit. Trotzdem wünschen sich viele genau das: einen längeren Vaterschaftsurlaub. Die ersten Tage nach der Entbindung sind schliesslich eine einmalige und sehr intensive Zeit. Schön, wenn man diese teilen kann.
Aber ob nun ein Tag oder vier Wochen – was ist das schon verglichen mit den Jahren der Kindererziehung, die noch folgen? Genau hier beginnt nämlich die eigentliche Herausforderung.
Geteilte Erziehungszeit ist in der Schweiz noch immer die Ausnahme. Nach wie vor finden sich die Väter oft in der „Ernährerrolle“ wieder. Nicht nur, weil sie es als Männer müssen, sondern weil sie sich selbst nach wie vor als Ernährer der Familie sehen und sich als Mann und Mensch über ihre Karriere identifizieren. Nebenbei erwähnt wissen die meisten Männer genau, dass es deutlich anstrengender ist, ein Kleinkind zu betreuen, als einen Tag bei der Arbeit zu verbringen: durchwachte Nächte, Kinderkrankheiten bekämpfen, Nuggi vergessen, Schlafzeiten einhalten – die Liste könnte endlos fortgesetzt werden. Männer wählen oft die Karriere – am Ende ist also alles mal wieder die Schuld des Mannes? Natürlich nicht! Manche Frauen wollen die Erziehungszeit teilen, manche nicht. So wichtig Mutterschutz für das Wohl des Kindes (und der Mama) ist: Viele junge Frauen möchten (und müssen für die Familienkasse) bald wieder arbeiten und viele junge Väter wünschen sich, eine grössere Rolle im Leben ihres Kindes zu spielen. Dabei sein beim ersten Lachen, den ersten Lauten, vom Robben zum Krabbeln zum Laufen – die Klassiker. Noch besser sind aber die kleinen Anekdoten der Babyjahre: Wie das Kind sich zum ersten Mal etwas in die Nase steckt, das da nicht hingehört, wie es zum ersten Mal einen Schmetterling wahrnimmt und dann erschöpft auf der Schulter einschläft. All diese Momente – kein Geld der Welt, kein Statussymbol und kein Karriereschritt kann das ersetzen.
Abgesehen davon kann eine geteilte Erziehungszeit aber auch einen anderen positiven Effekt auf den Mann haben:
Eine schwedische Studie des Karolinska-Instituts kommt zu der Schlussfolgerung, dass Väter, die nach der Geburt einige Zeit daheim bleiben, eine höhere Lebenserwartung haben. Männer, die gleich mehrere Monate daheim bleiben, profitieren sogar von einem verringerten Sterberisiko. Das begründe sich in einer engeren Bindung zur Familie, welche in der grösseren Verantwortung auch für das eigene Leben resultiert: Jene Männer achten mehr auf ihre Gesundheit, indem sie beispielsweise öfter zum Arzt gehen, weniger Alkohol konsumieren und mehr schlafen. In Schweden, wo es seit 1974 eine Elternzeit und seit 1994 eine Elternzeit speziell für Väter gibt, sank in diesem Zeitraum auch die Scheidungsrate. Zufall? Vielleicht. Aber eigentlich braucht es keine Studie, um daran zu glauben, dass eine bessere Work-Life-Balance allen guttut.
Die individuell passende Lösung für die Aufteilung von Beruf und Kindererziehung zu finden, ist die Aufgabe eines jeden Elternpaares – und eine der wichtigsten Fragen, die man als Paar am besten schon klärt, bevor man sich entscheidet, überhaupt gemeinsam ein Kind zu bekommen. Es geht aber nicht nur um das Finden einer Lösung direkt nach der Geburt, sondern das Meistern der grössten Veränderung, der Übergangsphase von einem Zweiergespann hin zu einem Familiensystem. Ein Teil dieser Aufgabe ist es, zu eruieren, wer wann und wie viel arbeitet, unter anderem damit man sich die Familiengründung überhaupt leisten kann; für viele Familien ist ein 100%-Einkommen von beiden Elternteilen nötig, um die Existenz zu sichern.
Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen ist also Pflicht. Jede Entscheidung, die Arbeitsverhältnisse und -aufteilung betrifft, wirkt sich schliesslich auf das ganze Familiengefüge aus. Und: Die Konsequenzen sind nicht immer ad hoc zu spüren, sondern manchmal erst Jahre später.
Aber egal, was die Studien sagen und die Arbeitgeber einfordern: Männer, die glauben, sie werden durch mehr Zeit mit der Familie auf der Karriereleiter abgehängt, sei Folgendes gesagt: Es hilft nur eines – Zuversicht! Es wird schon gutgehen. Man muss sich vielleicht einfach darauf einlassen. Und wer weiss: Vielleicht wird der Alltag dadurch viel besser als vorher.