Sich als werdender Papa in die Welt aus türkisfarbenem Schaumstoff und von der Decke hängenden, wallenden Tücher zu begeben, erfordert etwas Mut. Aber um für den Tag der Geburt gut vorbereitet zu sein, zahlt sich die Überwindung, an einem Schwangerschaftskurs teilzunehmen, aus. Ein Erfahrungsbericht.

Der Bauch meiner Partnerin ist zu einer kleinen Kugel herangewachsen und langsam ist es offensichtlich: Bald geht’s los! Und genau das wird heute geprobt: Der Ernstfall namens Geburt wird simuliert. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu Tag X, der Geburt des ersten Kindes, ist der sagenumwobene Geburtsvorbereitungskurs. So zumindest sehen es die einen. Die Belegung sei Pflicht für jeden Papa in spe, tönen sie. Wie könnte man ohne ihn bloss durchschauen und verstehen, was Mann tun kann, um die Partnerin nach Kräften zu unterstützen? Die anderen Bekannten und Freunde winken ab und überschütten einen stattdessen mit skurrilen Geschichten aus der Praxis – nicht selten mit einer gehörigen Portion Sarkasmus. Und wer hat recht? Beide!

A tender moment of closeness between husband and pregnant wife.

Einmal angekommen im sanft beleuchteten Mattenkreis, stellt sich bei vielen anderen Teilnehmern das Gefühl ein, dass bald etwas sehr Grosses kommen wird – ich gehöre allerdings noch nicht dazu. Auch nicht, als ich zwischen türkisfarbenen Schaumstoffkernen und den Beinen der werdenden Mama sitze. Oder im Kreis mit den Leidensgenossen auf türkis- oder pinkfarbenen Pezzibällen wippe. Die von der Decke hängenden Tücher – vielfarbige, wallende Tücher – verfehlen ihre harmonisierende Wirkung leider. Leichtes Unwohlsein macht mir – auch ohne Schwangerschaftsbauch – zu schaffen. Liegt es an der Tatsache, dass Mann hier nichts kontrollieren kann? Ich denke, ja. Denn machen wir uns nichts vor: Mann spielt hier einfach eine untergeordnete Rolle. Ich befinde mich in der Erprobung des absoluten Kontrollverlusts. Und das ist, nebenbei bemerkt, schwieriger als den Ansagen der Kursleiterin (natürlich eine Frau!) Folge zu leisten. Kontrolle hat schliesslich hier nur die Frau und (mal wieder) natürlich auch die ganze Arbeit. Und wir sprechen hier von dem vermutlich anspruchsvollsten Job des Lebens. Aber kann man sich auf eine Geburt wirklich vorbereiten, frage ich mich? Und, viel entscheidender, werde ich mich an Tag X an all das erinnern, was ich hier gerade lernen soll? Darauf gibt es im Kurs leider keine Antwort. Die Frage nach Sinn und Unsinn des Kurses wird natürlich vor Ort gar nicht erst gestellt – macht aber trotzdem Kreise in meinem Kopf und im Grunde möchte ich nur eines: dieser Symbiose aus Gymnastikkurs und Gruppentherapie entkommen.

Während Clara zufrieden brabbelnd auf ihrer Babydecke liegt und mich unschuldig anschaut, als hätte sie mit dem allem nichts zu tun, weiss ich: Eine Geburt ist erbarmungslos! Schreien, Hilflosigkeit und pure Angst kommen hier zusammen. Von Harmonie keine Spur. Daher sage ich allen, mit denen ich – nun als der Erfahrene – darüber spreche: Geh’ zum Geburtsvorbereitungskurs!

Denn auch wenn man zwischen künstlichem Hecheln, mechanischem Streicheln und hilflosen Unterstützungsversuchen die Teilnahme am Kurs fortlaufend infrage stellt: Dieser Kurs ist wichtig und informativ. Die Geburt ist ein überwältigender Akt! Tatsächlich gibt es dafür eine Art „Handwerkzeug“; Mann (und Frau!) erinnern sich allerdings nur an das, was sich nach stetiger Wiederholung ins Gedächtnis eingebrannt hat. Clara kam übrigens kerngesund zur Welt und weiss zum Glück noch nichts von der Welt aus türkisfarbenem Schaumstoff – und dem Kontrollverlust von Vätern.

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